Wie Chemotherapie Krebs auslöst

Wir hören immer wieder in definierten Abständen von „Durchbrüchen“ in der Krebstherapie aufgrund vollkommen
neuartiger Medikamente. Der neueste „Durchbruch“ dagegen geht in die komplett entgegengesetzte Richtung und ist
auch kein neues Medikament. Neuere Erkenntnisse haben zeigen können, dass Chemotherapeutika in der Lage sind,
Krebserkrankungen auszulösen und bestehende Erkrankungen therapieresistent zu machen. Aber wie schaffen sie
das?
Sun et al.
Division of Human Biology, Fred Hutchinson Cancer Research Center, Seattle, Washington, USA.
„Treatment-induced damage to the tumor microenvironment promotes prostate cancer therapy resistance through
WNT16B.“
Nat Med. 2012 Sep;18(9):1359-68.
In dieser Arbeit wird erklärt, warum und wie seit langem als effektiv angesehene Krebstherapien ineffektiv
werden können beziehungsweise die Erkrankung noch verschlimmern. Die Basis ist hier das Wirkprinzip von
Chemotherapeutika. Sie stellen eine aggressive Therapie dar, die kranke und gesunde Zellen gleichermaßen abtötet.
Hierbei produzieren die betroffenen gesunden Zellen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Tumorzellen ein Protein,
das zur Wnt-Familie gehört. Das Protein WNT16B ist in der Lage, die Wirksamkeit von Chemotherapeutika so zu mindern, dass deren
Einsatz kaum noch Effekte zeitigt. An diesem Punkt spricht der Patient nicht mehr auf die Therapie an. Aber das
Protein scheint an dieser Stelle nicht Halt machen zu wollen, denn es fördert gleichzeitig das Wachstum des
Tumors und begünstigt die Ausbildung von Metastasen.
Diese Beobachtung würde auch erklären, warum die Wissenschaftler keine Probleme hatten, im Laborversuch
entartete Zellen zu eliminieren, im menschlichen Körper diese Elimination deutlich schwieriger ausfiel. Denn im
Labor gibt es keine gesunden Zellen, die den Krebszellen mit dem WNT16B Protein beistehen können. Ausgelöst wird
die Produktion von WNT16B durch die Schädigung der DNA der gesunden Zellen durch das Chemotherapeutikum. Die
benachbarten Tumorzellen nehmen dann in der Folge das Protein auf und sind dadurch zu einem schnelleren Wachstum
befähigt, was mit einer Therapieresistenz einhergeht.
Während es bei der Behandlung einer Krebserkrankung zunächst gute Ergebnisse zu geben scheint und die Tumorgröße
verringert werden kann, kann es in der Folge zu einem raschen Nachwachsen kommen, was auf diesen eben beschriebenen
Mechanismus zurückgeführt werden kann. Und je mehr benachbarte gesunde Zellen betroffen sind, umso mehr WNT16B
steht den Krebszellen zur Verfügung, was den Teufelskreis schließt.
Ausweg aus diesem Teufelskreis wäre eine gleichzeitige Gabe eines Antikörpers, der das WNT16B neutralisiert.
Darüber hinaus wäre es vorstellbar, dass ein solcher Antikörper die Dosis des Chemotherapeutikums verringern
könnte.
Inzwischen gibt es eine weitere Veröffentlichung (Treatment-induced secretion of WNT16B promotes tumor growth und acquired resistance to
chemotherapy: Implications for potential use of inhibitors in cancer treatment) zu diesem Thema von einem
anderen amerikanischen Forscherteam. Dieses Team bezieht sich im Wesentlichen auf die oben zitierte Arbeit von
Sun et al. und bestätigt deren Beobachtungen.
Fazit
In der Krebstherapie gibt es weder Durchbrüche, noch umwerfende Therapieerfolge. Ich möchte nicht behaupten,
dass es keine Heilungen in der Onkologie gibt. Aber die Statistiken über die lebensverlängernde Wirksamkeit der
Zytostatika sehen alles andere als beeindruckend aus. Ein Grund dafür könnte der eben beschriebene Mechanismus
sein. Ich hatte bereits letztes Jahr auf die oben diskutierte Studie hingewiesen unter Wenn Krebsmittel Krebs erzeugen, die heute von anderer Seite nochmals bestätigt worden ist.
Ein weiterer Artikel Wenn die Pharmaindustrie als Wohltäter auftritt beleuchtet einmal die praktische Anwendung
von Zytostatika und deren Effektivität.
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Beitragsbild: 123rf.com - Yuiy Klochan
Dieser Beitrag wurde am 07.02.2021 erstellt.
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